Analog statt digital.
48 Stunden Digital Detox
Von Katharina Werni & Romeo Felsenreich
Wie oft haben wir uns schon vorgenommen, das Smartphone seltener zur Hand zu nehmen? Ungefähr genauso oft sind wir daran gescheitert. Mal schnell noch etwas gegoogelt, noch kurz eine E-Mail beantwortet – und schon wieder ist eine Stunde Bildschirmzeit dahin.
Eigentlich war klar: Wenn Digital Detox bei uns zwei Digital Natives funktionieren kann, dann nur radikal. Also reisten wir in die Schweiz in ein abgeschiedenes Nebental des Unterengadins. Zwei Grossstadtkinder in der entlegenen Natur Graubündens – Challenge accepted!
Ein Rückzugsort namens Hof Zuort
Die Bienen summen, der Hahn kräht, in der Ferne bellt ein Hund. Und sonst? Sonst ist da nichts. Pure Natur statt störende Reize unserer modernen Welt. Spektakulärer Bergblick statt Smartphone-Lichter.
Wenn es so etwas wie den perfekten Ort für einen Digital Detox gibt, dann ist es der Hof Zuort. Die urige Berghütte liegt abgeschieden auf einer Waldlichtung im Val Sinestra, einem unberührten Tal Graubündens. Und wenn wir «abgeschieden» schreiben, dann meinen wir das auch so: Das nächste Dorf befindet sich 1,5 Stunden Fussmarsch entfernt.
Unser Zuhause auf Zeit könnte einer Filmkulisse entsprungen sein. Wir nächtigen in einem holzvertäfelten Zimmer mit Originalmobiliar von vor einhundert Jahren. Das Bett erinnert an Uromas Zeiten, die Bilder in den Rahmen sind historische Erinnerungsstücke, der knarrende Holzboden erzählt eine Geschichte. Schon beim Betreten unseres Refugiums beginnt unsere innere Uhr langsamer zu ticken.
Das Beste an diesem ungewöhnlichen Übernachtungsplatz jedoch ist der sagenhafte Ausblick, den wir direkt von unserem Bett geniessen. In der Früh von der Morgenröte geweckt werden, abends dabei zusehen, wie die letzten Sonnenstrahlen die Berggipfel erleuchten – naturnaher geht es kaum.
Ausflug ins malerische Bergdorf Tschlin
Am nächsten Tag wagen wir einen Ausflug in die Zivilisation. Das 400-Seelen-Dorf Tschlin wirkt nach unserer Nacht in der entlegenen Berghütte auf einmal fast schon belebt. Dabei ist Tschlin – bei unvoreingenommener Betrachtung – ein uriges, abgeschiedenes Bergdörfchen wie aus dem Bilderbuch.
Es thront auf einer sonnigen Bergterrasse in 1533 Metern Seehöhe. Und ganz ehrlich: Es würde uns nicht verwundern, wenn dieses Kleinod einmal zum schönsten Alpendorf gewählt würde. Wir flanieren vorbei an Sgraffito-verzierten Engadinerhäusern, gepflasterten Gässchen und blumengeschmückten Fensterläden. Dazu der Duft nach Heu und Blumenwiesen in der Nase – Alpenidylle in Perfektion!
Weil Tschlin wirklich winzig ist, fällt uns auch die Orientierung ganz ohne Google Maps sehr leicht. «Ihr seid die zwei Blogger!» Dass wir den richtigen Weg gefunden haben, ist also hiermit geklärt. Braumeister Florian Geyer begrüsst uns in der Alpenbrauerei Girun. Mit Blick auf die Engadiner Bergwelt wird hier tatsächlich Bier gebraut – und zwar hervorragendes. Willkommen in der wohl am schönsten gelegenen Brauerei der Welt!
E-Bike-Tour am Rande des Schweizerischen Nationalparks
Digital Detox hin oder her – ruhig sitzen ist nicht unseres. Und so trauen wir uns an Tag zwei unserer Offline-Zeit an ein kleines Abenteuer: Mit den E-Mountainbikes soll es von Scuol über den Pass da Costainas bis in die Val Müstair gehen. 40 Kilometer und 1200 Höhenmeter – wenn wir da hoffentlich mal nicht verloren gehen.
Herausforderung Nummer eins: Aus den vielen Rad- und Wanderwegen, die durch Scuol verlaufen, die richtige Strecke zu finden. Üblicherweise verlassen wir uns in solchen Situationen auf bekannte Navigations-Apps unseres Smartphones. Zugegeben: Die Versuchung ist gross, doch mithilfe einiger netter Einheimischer finden wir dann schneller als gedacht den richtigen Weg.
Und dann ist treten, treten und noch mehr treten angesagt. Die Strasse schlängelt sich Kehre für Kehre den Berg in die Höhe. Vorbei am malerischen Weiler S-charl bahnen wir uns den Weg Richtung God da Tamangur, Europas höchstgelegenem zusammenhängenden Arvenwald. Die Natur hier oben, am Rande des Schweizerischen Nationalparks, ist atemberaubend schön. Schroffe Berggipfel wechseln sich mit bewaldeten Abschnitten ab. Eine längere Pause legen wir auf der Alp Astras ein. Was für eine Naturkulisse!
Eine Papierkarte lässt sich nicht zoomen
Wie dringend notwendig der Digital Detox ist, merken wir im kleinen Bergdorf Lü. Dort holen wir zwecks Orientierung die Papierfaltkarte aus dem Rucksack – und bewegen Daumen und Zeigefinger den Bruchteil einer Sekunde intuitiv so, als hätten wir gerade das Smartphone-Display vor Augen.
Wir müssen schmunzeln und sind gleichzeitig ein wenig erschrocken, wie Smartphone-geprägt unser Gehirn arbeitet. Wenn das mal kein Zeichen des Universums ist, dass es besser für uns wäre, öfters in den Digital Detox abzutauchen.
Nein, eine Papierkarte lässt sich nicht zoomen. Doch zur Orientierung ist sie dennoch bestens geeignet und so kommen wir nach fünf Stunden Fahrzeit erschöpft, aber rundum glücklich an unserem Ziel in der Val Müstair an.
Unser Fazit: Offline in Graubünden
Entschleunigt, entspannt, ausgeglichen. So fühlten sich die 48 Stunden an. Fiel es uns schwer, das Smartphone nicht zur Hand zu nehmen? Ganz im Gegenteil! Wir waren froh darüber, dass wir sozusagen die Erlaubnis hatten, es ausgeschaltet zu lassen. Würden wir das Abenteuer Digital Detox erneut wagen? Jederzeit! Beim nächsten Mal dann sehr gerne deutlich länger.
Autoren.
Katharina Werni und Romeo Felsenreich
Katharina und Romeo sind Blogger, Reisefotografen und die Gründer des österreichischen Reiseblogs «Sommertage». Viele Jahre hat es die beiden Weltenbummler am liebsten in die Ferne gezogen, mittlerweile erkunden sie mindestens genauso gern Reiseziele in ihrer Nähe.