Auszeit im Bergdorf.

1000 Schafe, 1000 Dorfbewohner, 1000 Gästebetten: Vals

Bergdorf Vals im Winter (Foto: © Michael André Ankermüller)
Weit weg und gleichzeitig weltoffen wie eine Metropole. Das Bergdorf Vals hat alles, was nachhaltiger, guter Tourismus in unserer immer hektischer werdenden Welt braucht. Und gehört gewiss zu jenen Reisezielen, die jeder einmal in seinem Leben besucht haben sollte. Zumindest, wenn man den bewussten Einklang mit der Natur spüren möchte.

Von Michael André Ankermüller

Bereits während der Anreise mit dem Postbus von Ilanz nach Vals, etwa 20 Bergkilometer insgesamt, komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Zu schön ist die Landschaft. Ein Gefühl, das man in Vals grundsätzlich hat, wenn man sich darauf einlässt. Schliesslich angekommen, bekomme ich schnell das Gefühl an das geographische Ende der Welt gereist zu sein, mitten in Europa, obwohl die nächstgrössere Stadt Chur nur knapp eine Stunde mit dem Auto entfernt ist.

Doch was macht Vals so besonders?

Ein Grossteil der angebotenen Aktivitäten unterscheiden sich nicht grossartig von anderen Schweizer Bergdörfern. Im Sommer lässt es sich ganz wunderbar wandern. Im Winter Skilaufen auf dem Dachberg, Winterwandern, Schlitteln, Langlaufen sowie Schneeschuhwandern. Und das auf 3000 Metern gelegene Skigebiet hat zwar nur sechs Liftanlagen, fünf davon Schlepplifte, aber gerade darin liegt wohl der Zauber. Und die Pisten: manchmal menschenleer.

©Andre Ankermueller

Weniger leer, doch nicht weniger ruhig ist es hingegen in der Natursteintherme von Peter Zumthor, die bereits im Jahr 1996 eröffnet wurde und Vals mit einem Schlag nicht nur für Architekturliebhaber weltberühmt machte.

In der Therme verstärkt sich noch mal mein innerliches Gefühl, stärker als sonst mit meiner Umwelt verbunden zu sein, als ich es in der Grossstadt gewöhnt bin.

Fotografieren ist in der Therme strengstens untersagt, Smartphones tabu und wer dennoch auf seinem Smartphone rumwischen muss, wird vom Personal freundlich aufgefordert, es zu unterlassen. Zumthors Therme ist für mich gleichzeitig die perfekte Metapher für das gesamte Bergdorf Vals: nämlich die Reduktion auf das Wesentliche und das Verhältnis von Stein und Wasser sowie Luft und Licht. Und das eigene Ich.

Wirklich nichts lenkt in Zumthors Therme ab. Keine Rohre, keine bunten Farben, keine Roste, keine laminierten Hinweisschilder, keine Schächte, keine Kacheln, keine verschlissenen Kunststofftüren. Stattdessen Natursteinplatten aus Valser Gneis in drei verschiedenen Stärken. Untermalt von musealer Ruhe.

Peter Zumthor Therme Vals in Graubünden

Ein Hauch Dänemark

Ähnlich reduziert und doch völlig anders, fühle ich mich in den Räumlichkeiten der Pension, Brücke49, einem Bed & Breakfast unweit des Valser Dorfplatzes. Nur vom «Guten das Beste», könnte das inoffizielle Motto des Hauses heissen. Die vier Zimmer des Haues sind liebevoll eingerichtet, das Interieur, vorwiegend aus Dänemark, sehr hochwertig, jegliche Textilien so schön, dass man sie am liebsten nach dem Aufenthalt mit nach Hause nehmen wollte.

Das Frühstück bereitet das kleine Team der Brücke49 selbst zu, frischgebackenes Brot und dänische Brötchen, hausgemachte Ingwer-, Himbeer- und Erdbeer-Marmelade, Käse von der Sennerei Vals, lauwarmes Porridge mit Nüssen und Zimt, Birchermüesli, frischgepresster Orangensaft. Vom Guten eben nur das Beste. Gefrühstückt wird mit den anderen Gästen des Hauses an einem grossen Tisch. Und ein Gesprächsthema ist meistens schnell gefunden: Die Magie und Ruhe von Vals.

Wer mit der ganzen Familie kommen möchte, findet seinen Platz in der Brücke 49 Herberge nebenan.

Brücke 49 Herberge (Foto: © Alex MacLeod)

Thomas Schacht, der gemeinsam mit seiner Frau Ruth Kramer vor über zehn Jahren in die Schweiz ausgewandert ist und sich in Vals mit der Brücke49 den Traum einer eigenen Pension erfüllt hat, kommt auch nach über einem Jahrzehnt nicht vom Schwärmen über Vals ab.

«Vals ist nicht wie jede andere Bergdorf, sondern wie ein winziges städtisches Dorf, das aus sich selbst heraus existiert und sich nicht an die sich ständig ändernden Trends des Massentourismus anpasst. Vals ist wie eine kleine ‹Insel› in den Bergen. Wenn man in Richtung Vals reist, lässt man alles zurück, was einem auf der Seele liegt. Man bekommt schnell das Gefühl, in eine andere Zeitzone zu gelangen, die vor der Hektik der Aussenwelt geschützt ist. In Vals sind die ‹Dinge› so, wie sie sein sollten. Originell. Einfach. Ehrlich.»

Vals ist nicht wie jedes andere Bergdorf, sondern wie ein winziges städtisches Dorf, das aus sich selbst heraus existiert und sich nicht an die sich ständig ändernden Trends des Massentourismus anpasst.

Thomas Schacht Gastgeber der Pension Brücke49

Thomas Schacht und Ruth Kramer (Foto: © Martin Morrell)

Heimische Köstlichkeiten

Doch nicht nur die «Dinge», wie Thomas Schacht es beschreibt, sind so, wie sie sein sollten, sondern auch die Graubündner Küche. «Bündner Pizokel» mit Bergkäse. Oder Capuns, in Schnittmangold gewickelte Päckchen aus Spätzleteig, der mit Kräutern und in kleine Stücke geschnittenem Bündnerfleisch angereichert ist. Nicht zu vergessen die selbstgemachten Ravioli, gefüllt mit Valser Kuh-/Geisskäse und Zwetschgen an Salbeibutter im Hotel und Restaurant Steinbock. Wem das nicht genug ist, kann Spitzengastronomie in den verschiedenen Restaurants des 7132 Hotel erleben.

Bereits an anderer Stelle schrieb ich, dass eine Reise nach Vals auch gleichzeitig eine Reise zu sich selbst ist und die Frage was brauche ich wirklich? Die Antwort sei jedem selbst überlassen. Eine Reise nach Vals hingegen ist unabdingbar.

Michael André Ankermüller

Autor.

Michael André Ankermüller

Michael André Ankermüller lebt in Berlin, fühlt sich aber komischerweise fast überall auf der Welt zuhause. Er hat seine Leidenschaft zum Schreiben und Fotografieren zum Beruf gemacht und arbeitet als freier Journalist, Medienberater und Blogger.