4 Kinder, 4 Tage.
Familien-Biketour von Davos ins Engadin

Von Markus Liebe
Tag 1: Mehr Trail geht nicht – vom Jakobshorn nach Jenisberg
Auf dem Speiseplan unserer ersten Etappe steht der erste Teil des Alps Epic Trails. Und so gondeln wir um 8.30 Uhr mit der ersten Bergbahn hoch zum Jakobshorn. Dort angekommen, geniessen wir die tolle Aussicht. Bis unsere Kinder drängeln: «Los, starten!» Der Trail schmiegt sich wunderschön in die alpine Landschaft. Moderat und über viele Wellen surfen wir dem Tal und dem Dörfchen Sertig entgegen. Ab hier führt der Weg leicht bergauf bis nach Äbirügg. Wir rollen weiter und erreichen pünktlich zur Mittagszeit die das Bergrestaurant Jatzmeder beim Rinerhorn, wo wir gemütlich einkehren und uns stärken.
Ein paar Anstiege und flowige Trailabschnitte später kommen wir in Monstein an. Ein wunderschönes Dorf mit Holzhäusern – ein typisches Schweizer Postkarten-Sujet. 150 Höhenmeter und nochmals ein wunderschöner Trail liegen noch vor uns. Dann haben wir unser Etappenziel erreicht: Das Dorf Jenisberg mit der Unterkunft Sägässähenki. Der Dachstuhl des Bauernhofs wurde erst vor Kurzem mit neuen Ferienwohnungen ausgebaut. Wir Eltern geniessen ein feines Getränk auf der Dachterrasse und lassen den ersten Tag Revue passieren, während die Kinder die Anstrengung vergessen haben und noch bis zur Dämmerung draussen spielen.

Tag 2: Alps Epic Trail Teil 2 – und ab ins Engadin
Beim Frühstück mit feinen selbst gebackenen Brötchen erklären wir unseren Kindern die heutige Route. Und zack, schon geht’s los, aufsatteln! Wir starten gleich mit einer Abfahrt. Im Tal angekommen, fahren wir über eine steinerne Brücke, auf deren Geländer der schottische Bikestar Danny MacAskill im «Home of Trails»-Video balanciert – 90 Meter über dem Abgrund. Die Kinder staunen nicht schlecht und hätten Danny gerne live dabei gesehen. Wir fahren weiter und schon bald unter dem imposanten Landwasserviadukt der Rhätischen Bahn hindurch. Diese bringt uns ab Filisur nach Preda, und zwar auf einer der spektakulärsten Zugstrecken der Schweiz mit zahlreichen Tunnels und Kehren.
Ab jetzt heisst es für uns: 550 Höhenmeter treten, treten, treten – und zwar bis auf den Albulapass hoch. Die Strasse ist wenig befahrenen und steigt moderat an. Dank der Motivationsplayliste von Mamas Handy und anderen Themen zum Quatschen schaffen es unsere Kinder auf die Passhöhe. High Five!
Nach einem leckeren Mittagessen freuen wir uns auf den lang ersehnten Albula-Trail über die schöne Hochebene. Im Talgrund des Engadins angekommen, steht ein längeres Transferstück durchs Tal und bis nach Morteratsch hoch zum Etappenziel an. Wir entscheiden uns gegen ein erneutes Einsteigen in die Rhätische Bahn und kommen kaputt aber glücklich im Hotel Morteratsch an. Essen und ab ins Bett!

Ein dickes Lob an die Trailbauer und Bike-Produktmanager von Graubünden. Eure Trails sind einfach nur episch! Und last but not least: Hut ab vor der Rhätischen Bahn und den Postautos, ohne die solch eine Familienbiketour gar nicht möglich wäre.
Markus Liebe
Tag 3: Zeugen des Gletscherschwunds und eine laaaange Abfahrt
Den heutigen Tag beginnen wir mit einem Bike & Hike zum Morteratschgletscher. Wir sind Zeugen, wie sich dieser über die letzten 150 Jahre nach und nach zurückgezogen hat – erschreckend! Ein anderes Highlight wartet gleich hinter unserem Hotel, nämlich die Alpschaukäserei.Hier kann man in wunderschöner Naturkulisse lecker brunchen.
Unsere heutige Tour wird aber lang und deshalb nehmen wir den Zug hoch zum Ospizio Bernina und Lago Bianco. Nun beginnt der Trailspass auf der legendären Bernina Express Route von 2‘300 m ü. M. bis nach Poschiavo auf rund 1‘000 m ü. M. Die Aussicht hier ist grandios und der feine Trail verliert sich fast in dieser Weite. Links und rechts Wiesen, ein rauschender Bach, Wald, wurzlig – einfach alles dabei, was uns Freude macht. Ab Cavaglia wird der Trail anspruchsvoller (S2-S3). In Poschiavo rollen wir glücklich auf die Piazza, wo wir mit einem freundlichen «Buongiorno» begrüsst werden. Denn hier – nahe an der Grenze zu Italien – sprechen die Einheimischen Italienisch. Jetzt haben sich unsere Kinder eine feine Pinsa und danach ein Eis sowie eine Abkühlung im Dorfbrunnen verdient.
Nach der ausgiebigen Pause bringt uns die Rhätische Bahn wieder zurück auf den Ospizio Bernina. Hier heisst es: Aussteigen und nochmals ab aufs Bike. Zuerst führt der Trail vor imposanter Gletscherkulisse relativ anspruchsvoll dem Lago Bianco entlang. Danach geniessen wir ein flowig-spassiges Ausfahren bis zum Hotel Morteratsch zurück, wo wir ein zweites Mal übernachten. Was für ein grandioser Tag!

Tag 4: Das grosse Flowtrail-Finale und Besuch beim Steinbock
Am letzten Tag unserer Biketour sind unsere Kinder besonders ungeduldig. Denn hurra! Endlich dürfen sie auf den legendären Corviglia Flowtrails oberhalb von St. Moritz biken. Von Celerina gondeln wir gemütlich mit zwei Liften bis nach Corviglia hoch. Da die vier Flowtrails eher moderat sind und keine echte Jumpline haben, kann man die Kinder mit gutem Gewissen ohne komplette Schutzausrüstung wie Fullface-Helm und Rückenprotektor losziehen lassen.
Am Nachmittag entscheiden wir uns für die finale Top-to-Bottom-Abfahrt. Und zwar vom Piz Nair auf 3‘057 m ü. M. hinab bis auf 1‘800 m ü. M. Neben der Bergstation thront das «Wahrzeichen» und Maskottchen von Graubünden – und zwar ein riesiger Steinbock, der mit Stolz über das Engadin blickt. Auch hier steht Danny McAskill in seinem Video. Und so wollen unsere Kinder natürlich auch entsprechend posieren. Zuerst queren wir auf dem Trail eine Altschneedecke. Die Kinder meistern das erste steile Stück mit Bravour, freuen sich aber auf den Wechsel von Steinwüste zu Wiesenlandschaft. Das eine oder andere Murmeltier pfeift uns hinterher. Und als Finale dürfen wir den Foppetta Flowtrail fahren – mit kleinen Drops, Tables sowie super schön angelegten Northshores und Anliegerkurven.
Unten in St. Moritz angekommen, rollen wir bis zum Bahnhof und klopfen uns auf die Schulter! Hammer, wie wir diese grandiose und definitiv weiterzuempfehlende Viertagestour ohne nennenswerte Stürze und technische Defekte gemeistert haben!
Tipps und Tricks für die Planung einer Mountainbike-Mehrtagestour mit Kindern:
- Die Erwachsenen sollten die Tour schon mal gefahren sein.
- Die Kinder müssen gute Erfahrung auf wurzeligen und steinigen Naturtrails gesammelt haben (Singletrail-Skala S2).
- Die Kinder auf Singletrails immer vorfahren lassen – so hat man sie stets im Blick.
- Bestenfalls für solche Touren andere befreundete Kinder mitnehmen. Sie motivieren sich gegenseitig, was Wunder bewirkt.
- «Notausgänge» für Unvorhergesehenes kennen – also Abkürzungen oder Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.
- Lieber Liftunterstützt als zu viele Höhenmeter am Stück treten. Das Erlebnis muss im Vordergrund stehen. Und falls selbst bergauf treten, dann nur moderate Steigungen.
- Transferstücke besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln abkürzen.
- Lieber eine Pause mehr und genügend Pufferzeit einplanen.
- Last but not least darf die Tüte Gummibärchen (oder auch was anderes Leckeres) nicht fehlen – denn Kinder haben immer Hunger.


Autor.
Markus Liebe
Markus aus Ravensburg hat seinen Sohn schon früh mit dem Mountainbike-Virus angesteckt. Und so geniessen die zwei bereits seit längerer Zeit gemeinsame Bike-Abenteuer.